Ökologisch leben im Überfluss

Jeden Tag stehen wir auf und stellen fest, dass wir schädlich sind. Die soziale Ungerechtigkeit in der globalisierten Welt hat ganz menschliche Ursachen. Die einen sind reich die anderen arm, was so nicht naturgesetzlich ist. Kriege entstehen weil sich Menschengruppen nicht friedlich verständigen können. Und dann auch noch das: Der Klimawandel ist menschgemacht. Dabei wären wir doch so gerne und jeden Tag gut. Also versuchen wir es mit Einschränkungen und Einsparungen um so wenigstens einen Teil unseres schädlichen Tuns zu unterlassen, in der Hoffnung damit unseren Beitrag zur Wiedergutmachung zu leisten und die Welt doch noch vor dem Klimakollaps zu retten. Und wir tun dies mit einem unendlich schlechten Gewissen, weil wir merken, dass wir soviel gar nicht einsparen können, wie wir müssten.

So verfestigt sich seit den Warnungen des Club of Rome am Ende der sechziger Jahre ein Bild des Menschen als Schädling, ohne den die Welt viel besser aussähe. Eigentlich ist dies ein Paradoxon, ist der Mensch doch Teil der Natur und nicht ausgegrenzt. Einzigartig hat der Mensch die Fähigkeit die Folgen seines Tuns zu überblicken. Das sollte eigentlich dazu führen seine Existenz so einzurichten, dass er gutes Leben im Einklang mit der Natur gestaltet. Da er aber die großen und komplexen  Aufgaben, die damit zusammenhängen als gesellschaftliches Wesen nicht überblicken kann und auch nicht in der Lage ist generationsübergreifend über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten zu überblicken sieht er als einzelner keine Möglichkeit die Herausforderungen konstruktiv und positiv denkend anzunehmen. Ohne Lösungsansätze bekommt er ein schlechtes Gewissen, sucht Schuldige und versucht nicht allzu schlecht zu sein. So kommt er auf die Idee Energie zu sparen, weniger Fleisch zu essen, sich wärmer anzuziehen, gerechter zu sein und fair gehandelte Produkte zu kaufen.

Der Paradigmenwechsel scheint sich zuallererst im Kleinen zu vollziehen unter Bedingungen des Leidens. Bei alledem entwickelt sich eine Lebensphilosophie gut zu sein, indem Schlechtes weniger oft gelebt, gemacht und konsumiert wird. Das ist die Welt der Grenzwerte in der bis zu einem gewissen Maß das Schlechte Bestand haben darf, damit es gut wird. Es werden Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxyd, Methangase, Formaldehyd, Furane, Dioxine, Lösungsmittel, Styrole, Schwermetalle und Feinstäube definiert. Es wird gefiltert, absorbiert und gedämmt. In einer Welt die so ist wie sie ist und mit einer Menschheit die Gefahr läuft diesen Erdball und unsere Existenzgrundlagen zugrunde zu richten, ist das Verhalten zu verstehen und man ist geneigt es auch richtig zu finden, denn einfach so weiterzumachen führt unweigerlich in die Katastrophe. Führt aber dieses Verhalten denn tatsächlich aus der Katastrophe? Oder ist die Methodik gar zu langsam? Immerhin wissen wir, dass wir vielleicht noch 13 Jahre Zeit haben, den Ausstoß des Treibhausgases CO2 so zu minimieren, dass der erwartete Anstieg der durchschnittlichen Jahrestemperatur auf 2 Grad beschränkt bleibt.

Wäre es nicht an der Zeit eine andere Philosophie zu entwickeln. Eine Anschauung zu kreieren, die vom Guten ausgeht. Die davon ausgeht, das Richtige und Gute zu tun und das im Überfluss ohne schlechtes Gewissen? Das würde Grenzwerte weitgehend unnötig machen, weil für gute Taten es natürlich keine Grenzwerte geben soll. Auch ein schlechtes Gewissen würde sich nicht einstellen.

Wenn wir uns Anleihen an der uns umgebenden Natur nehmen, stellen wir einige Unterschiede zu unserem menschlichen Tun fest. Die Natur kennt keine Abfälle, sie kennt nur die Kreislaufwirtschaft der Rohstoffe. Alles hat seine Berechtigung und seinen Sinn. Und das seit Jahrmillionen, noch bevor es Menschen gab.

Dass die Menschheit so groß und weltumspannend ist kann nicht der Grund sein, dass wir Probleme haben. Wegen der Überbevölkerung sei die ökologische Tragfähigkeit der Erde begrenzt, daher sei auch Geburtenkontrolle erforderlich. So behauptet, sollten wir den zukünftigen Kindern aber auch sagen: Ihr seid nicht willkommen. Wenn wir Angst verbreiten, reagieren die Menschen mit Unsicherheit, mit Gier und Kampf und mit Geburten in Afrika, also nur dort, wo Kinder in Aussicht stellen die Alten zu versorgen. Unser Volk in Deutschland schrumpft ohne Zwang im Überfluss. Vielleicht sollten wir lieber dafür sorgen, dass es anderen so gut geht wie uns.

Auf unserer Erde leben eine Trillion Insekten, das ist eine 10 mit 18 Nullen. Ein Prozent davon sind Ameisen. Die Ameisenpopulation besteht aus zehntausend Billionen Individuen. Eine einzelne Ameise wiegt zwischen ein und fünf Milligramm. Alle Ameisen zusammen betrachtet, übertreffen als Biomasse die aller lebenden Menschen um das vierfache. Und das Ameisenvolk tut das natürlich, wegen fehlendem Ich-Bewusstsein, ohne schlechtes Gewissen. Hätte sie ein Bewusstsein müsste sie aber auch kein schlechtes Gewissen haben, denn was sie tut ist gut und sie tut es im Überfluss. Ein Beispiel dafür sind die Bauten der Termiten. Sie werden entweder in Baumstämmen oder am Erdboden angelegt als die uns aus Afrika bekannten Termitenhügel, die eine Höhe von sieben Metern und am Fuß einen Umfang von 28 Metern erreichen können. Diese großen Bauten bestehen hauptsächlich aus Ton und besitzen große Festigkeit. Sie enthalten zahlreiche Zellen für die Brut und Gänge zur Kommunikation zwischen allen Teilen des Baues dienen. Oft stehen viele Hügel durch ein System überwölbter Straßen miteinander in Verbindung und bilden eine Kolonie. Es gibt Bauten bei denen dünne und hohe Wände von Norden nach Süden ausgerichtet sind. Der Zweck dieser Bauweise ist es, eine möglichst konstante Innentemperatur aufrechtzuerhalten. Wenn morgens die Sonne im Osten aufgeht, wird gleich eine große Oberfläche des Nestes bestrahlt und es kann so nach der kalten Nacht wieder Wärme tanken. Mittags, wenn die Sonne senkrecht am Himmel steht, bietet das Nest der Strahlung eine minimale Oberfläche und es erhitzt sich nicht weiter. Abends dann, wenn die Sonne aus Richtung Westen scheint, bescheint sie wieder eine große Fläche und das Nest kann für die kalte Nacht noch einmal Wärme tanken.

Wer sich an der Natur erfreut und von ihr lernen möchte, dem kommen gute Ideen für ihren sinnvollen Schutz. Mit der Büßerhaltung, die wir in Deutschland beim Umweltschutz einnehmen, haben wir keine Chancen zur Lösung der Probleme beizutragen. Unsere Strategien sollen Probleme lösen, die durch Vorbeugung nicht entstünden. Wenn wir unter Umweltschutz Ökoeffizienz verstehen, das Schädliche, immer weniger davon, weiter tun, verschieben wir den Kollaps nur auf später.

Die Gegenstrategie ist vielversprechender und auf lange Sicht erfolgreicher: Einklang mit der Natur suchen, mit einer Natur, die ihre Ressourcen durchaus verschwendet, intelligent verschwendet. Sie spart, wo es sein muss und sie verschwendet, wo es geht. Dieses Modell bietet, bei gleichem Risiko, die bessere Chance auf rentable Verwirklichung in Märkten mit Menschen, die keine Lust haben mit schlechtem Gewissen die Weltmeister der Mülltrennung zu sein.

Bezogen auf das Bauen und Wohnen ist dieser Denkansatz des ökologischen Überflusses anwend- und umsetzbar. Ein Haus ohne Stromnetzanschluss und ohne fossile Brennstoffe. Das Haus wird zu allem Überfluss auch noch die Batterie des eigenen Elektroautos aufladen. Wir könnten damit ohne Einschränkung und ohne schlechtes Gewissen in die Stadt fahren. Unser Haus wird Baustoffe enthalten, die aus der Natur kommen und ihr auch wieder zurückgegeben werden, weil wir sie uns üppig zur Verfügung stehen und sie der Gesundheit der Hausbewohner dienen. Die Tapeten werden die Raumluft reinigen und die beschichteten Treppenhandläufe werden die Bewohner mit Nährstoffen versorgen. Das Haus wird erschwinglich sein, weil Natur in Hülle und Fülle vorhanden ist und wir keinen Abfall und keine Giftstoffe produzieren müssen. Wir leben in den Tag, müssen uns keine Gedanken mehr über die Folgen machen.

Wir sind die Nützlinge der Welt. 

 

Autor: Claus Krüger  |  Artikel erschienen in Wohnung+Gesundheit 9/2009